Malcesine Goethe
Goethes Aufenthalt in Malcesine - was wirklich geschah
Nach wie vor hält sich die Mär von Goethes (Beinahe-)Gefangenschaft in Malcesine. Demnach war der Dichterfürst vom Anblick der Burg so überwältigt, dass er sie zeichnete. Weil Malcesine in jenen Tagen der nördlichste Vorposten des venezianischen Machtbereiches war, soll er in der Folge für einen österreichischen Spion gehalten und der drohenden Verhaftung nur knapp entkommen bzw. für kurze Zeit inhaftiert worden sein.
Die Wirklichkeit mag sich indes etwas anders zugetragen haben: Nachdem ungünstige Winde seinen Kahn nach Malcesine getrieben hatten, fertigte Goethe für seine enge Freundin Charlotte von Stein eine Zeichnung des Kastells an. Dadurch erregte er tatsächlich den Argwohn der Bewohner, die sich sein Interesse für das alte, mittlerweile dem Verfall preisgegebene Gemäuer nicht erklären konnten und de facto an Spionage dachten: „Die Einwohner fanden es verdächtig, weil hier die Grenze ist und sich alles vorm [österreichischen] Kaiser fürchtet.“
Der wortgewandte Dichterfürst aber versuchte ihr Misstrauen zu zerstreuen, indem er erklärte, dass „viele Reisende nur um der Ruinen willen nach Italien zögen“ und „nicht allein griechische und römische Altertümer, sondern auch die der mittlern Zeit Aufmerksamkeit verdienten.“
Um Zeit und ihre Gunst zu gewinnen“, forderte er sie auf, die Ruine mit den Augen eines Reisenden zu betrachten und ihren Liebreiz zu erkennen. Mit anderen Worten: Goethe machte sie auf ihr touristisches Potential aufmerksam, war sozusagen Pionier des hiesigen Fremdenverkehrs - und seine Rechnung sollte aufgehen: Der anfängliche Argwohn zerstreute sich allmählich; schließlich legte ein herbeigerufener, vor Jahren in Frankfurt angestellter Ortsansässiger, „dem etwas Fremdes nicht fremd“ war, dem lokalen Verwalter folgende Empfehlung nahe: ‚[…] Wir wollen ihn freundlich entlassen, damit er bei seinen Landsleuten Gutes von uns rede und sie aufmuntere, Malcesine zu besuchen, dessen schöne Lage wohl wert ist, von Fremden bewundert zu sein.’
Eine (drohende) Gefangennahme aber erwähnte Goethe in seinem Reisebericht mit keiner Silbe...
Makabres Detail am Rande zu Malcesine
Liest man seine Schilderungen genau, drängt sich der Verdacht auf, dass Goethe selbst dem Kastell nicht allzu viel abgewinnen konnte... So hatte er beispielsweise bereits im Vorfeld „auf den Verfall dieser Türme und dieser Mauern, auf den Mangel von Toren, kurz auf die Wehrlosigkeit des ganzen Zustandes“ aufmerksam gemacht und – wie aus dem oben angeführten Zitat hervorgeht – (in erster Linie) nur deshalb auf deren Liebreiz verwiesen, um Zeit und Gunst zu gewinnen. So war er denn auch froh, dass „die Morgensonne Turm, Felsen und Mauern“ während seiner Ausführungen „in das schönste Licht“ tauchte...
Weiteres Detail Malcesine
Besagtes Bild der Burg soll der Podestá übrigens mit „italienischer Gelassenheit“ ergriffen und zerrissen haben.